Vom Mittelalter zur Neuzeit
Aber schon vor dieser Zeit muss Nieder-Roden ein bestimmender und strategisch wichtiger Ort im Rodgau gewesen sein. Der alte, massige Kirchturm zeigt enge Schießscharten. Er hatte in früherer Zeit ein flaches Dach und scheint ursprünglich als Schutz- und Wehrturm erbaut zu sein.
Seine Erbauung lässt sich nicht genau ermitteln. Lediglich das Datum der Weihe der ersten Kirche ist bekannt. Es war der Sonntag vor dem Fest Maria Himmelfahrt (15. August) 1298. Da sich an der Ostseite des Kirchturms im Mauerwerk noch die Umrisse dieses ersten Kirchenbaues erkennen lassen, ist mit Sicherheit anzunehmen, daß dieser im Schutze des Wehrturms errichtet wurde, also schon vor dieser Zeit gestanden hat.
Auch war Nieder-Roden in dieser Zeit von einem Wall und einem Graben umgeben, die die beiden einzigen Straßen, die heutige Hauptstraße und die Karolingerstraße, umschlossen. Zugang zum Ort war nur durch ein Tor in Richtung Ober-Roden »obere Pforte« und ein Tor in Richtung Dudenhofen »untere Pforte« möglich. Beide Pforten wurden im Jahre 1812 abgerissen. Über die Einebnung von Wall und Graben sind genaue Daten nicht bekannt.
Das Amt des Pfortenwächters muss erblich gewesen sein, denn noch heute deuten Beinamen wie »Portehannese« darauf hin, dass diese Familie das Amt des Pfortenwächters über Generationen innehatte.
Turm, Wall und Graben deuten darauf hin, daß Nieder-Roden Zufluchtsort des südlichen Rodgaus war. Gab es doch in der näheren Umgebung viele Burgen und kleine Schlösser, deren Besitzer die Bauern der Umgebung zu Frondiensten zwangen und ausplünderten. Die Sicherheit des Ortes brachte Nieder-Roden den ersten Kontakt zu Handel und Verkehr.
Schon in ganz früher Zeit war die heutige Frankfurter-Straße eine bekannte Handelsstraße aus dem bayerischen Raum nach der Handelsstadt Frankfurt/Main. In Nieder-Roden war für die Kaufleute mit ihren Planwagen oder Viehherden die letzte Rast vor dem Markt in Frankfurt/Main. Für diese Reisenden gab es eine Herberge mit Stellplatz für die Planwagen und Koppeln für die Viehherden. Die Herberge stand an der Ecke Babenhäuser-Straße/-Hauptstraße
Auch die Leinenreiter, die die Frachtschiffe an langen Leinen mit Pferden von Frankfurt/ Main stromaufwärts nach Aschaffenburg zogen, machten auf der Rückreise in Nieder-Roden letzte Rast. Für sie gab es eine Herberge und einen Stall für die Pferde an der Hauptstraße, gegenüber dem heutigen Gasthaus »Engel«. Als im Jahre 1842 der Raddampfer auf dem Main eingeführt wurde, blieben die Leinenreiter aus, da es für sie keine Arbeit mehr gab. Doch ihr Ende war noch nicht gekommen. Im Jahre 1858 wurde der doch wohl unrentable Raddampfer aufgegeben, und Leinenreiter zogen erneut die Schiffe mainaufwärts. Im Jahre 1886 aber war das Los dieser Zunft endgültig besiegelt. Jetzt wurde der Kettendampfer in Betrieb genommen, der 12-14 Schiffe ziehen konnte.
Das Zusammentreffen mit den durchreisenden Kaufleuten und Leinenreitern zeigte den Nieder-Röder Bürgern den Weg, ihr kärgliches Leben, der Sandboden in der Nieder-Röder Gemarkung brachte keine überreiche Ernte, etwas zu verbessern. Zuerst vereinzelt schlossen sich Nieder-Röder Bauern mit Ochsen- und Kuhgespann den Handelsleuten an und verkauften auf dem Markt in Frankfurt/Main, was sie von den Erträgen der Landwirtschaft und Viehzucht entbehren konnten. Auch Leinenstoffe und Brennholz wurden verkauft.