Kirchliche Entwicklung

Dass es in Nieder-Roden schon sehr früh religiöses und kirchliches Leben gegeben hat, ergibt sich aus der Nähe des Klosters Rothaha.

Über die Anfänge einer selbständigen Pfarrgemeinde gibt es jedoch noch keine verläßlichen Unterlagen. Eine erste Kirche wurde im Jahre 1298 geweiht, die im Jahre 1542 erweitert wurde. Über diese Erweiterung berichtet ein Stein, der in die Mauer der Sakristei eingemauert ist. Im Jahre 1519 wurde eine Glocke zu Ehren der Muttergottes Maria geweiht. Diese Glocke hängt heute noch im Kirchturm.

In diesen ersten Jahren religiösen Lebens war Nieder-Roden zeitweise selbständige Pfarrei oder wurde von der Pfarrei Ober-Roden mitbetreut. Von Beginn des 16. Jahrhunderts bis 1578 war Nieder-Roden unter dem Einfluss des lutherischen Pächters, des Grafen von Hanau, wechselweise katholisch bzw. evangelisch. Seit 1578 ist Nieder-Roden katholisch und seit 1666 bis zum heutigen Tage stets selbständige Pfarrei.

 

Gotischer Marienaltar
Gotischer Marienaltar

Von einem Pfarrer Philipp Egert, der von 1705-1709 Pfarrer in Nieder-Roden war, ist bekannt, daß er die während des 30jährigen Krieges stark beschädigte Kirche und auch den spätgotischen Mutter-Gottes-Altar als Hochaltar neu herrichten ließ. Der durch die Liturgieänderung nach dem zweiten vatikanischen Konzil für einige Jahre als Hauptaltar in der von 1894-1896 neuerbauten jetzigen Pfarrkirche stand, stammt aus früherer Zeit und zeigt in der Mitte die herrliche Rodgau Madonna mit dem Jesuskind, das einen Apfel hält. Neben der Mutter-Gottes der Kirchenpatron St. Matthias mit Buch und Beil und St. Johannes mit dem Giftkelch. Auf den beiden Seitenflügeln sind die Apostel Petrus und Paulus sowie Andreas und Jakobus reliefartig dargestellt. Über dem Altar stand eine Reiterstatue des Diözesanenpatrons »St. Martin«.  Der in der Tracht des Kaisers Maximilian I. dargestellte Reiter läßt auf die Entstehung um 1500 schließen.

Katholische Kirche bis 1884
Katholische Kirche bis 1884

Bei einer neuerlichen Renovierung im Jahre 1941 wurde erst die Darstellung »Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz tragen« auf der Außenseite der Flügel wieder herausgearbeitet.

Pfarrer Anton Frank, der von 1742-1764 Pfarrer in Nieder-Roden war, bemühte sich um würdige gottesdienstliche Gewänder und Gefäße und um ein christliches Erscheinungsbild der Gemeinde nach außen. Auch der damalige Zentgraf Johann Phillipp Narzissus Beißler half hierbei kräftig mit.

Zentgraf Beißler heiratete nach dem Tod seiner ersten Frau die Tochter des Schultheisen von Bensheim, Martha Franziska Mayer. Beide stifteten der Kirche Paramente und einen zierlichen aus Gold und Silber gefertigten Kranz für die Monstranz. Die Taufen der 10 Kinder aus dieser Ehe brachte viele befreundete Persönlichkeiten des Ehepaares nach Nieder-Roden, die zum Teil der Kirche Patengeschenke machten. So schenkte 1749 der Vogt J. Christoph Steiglehner von Ober-Roden der Kirche einen prächtigen Kelch.

 

St. Nepomuk
St. Nepomuk

Das christliche Erscheinungsbild zeigt sich in der Errichtung von Bildstöcken und Wegkreuzen. So wurde 1754 die »Not Gottes«, heute Babenhäuser Weg, 1757 ein Bildstock zu Ehren der Muttergottes, heute Büchnerstraße, 1758 die »Dreifaltigkeit« (das Oberteil ist im Sockel der offenen Kapelle vor dem neuen Friedhof an der Babenhäuser Straße eingemauert), 1761 eine Statue des St. Nepomuk auf der Rodaubrücke (heute am ehemaligen Schwesternhaus), 1762 ein Wegkreuz an der Dudenhöfer Straße und ein Kreuz am Kirchturm errichtet.

Alter Friedhof an der Friedensstraße
Alter Friedhof an der Friedensstraße

Unter Pfarrer Konrad Reuß, der von 1837-1853 Pfarrer in Nieder-Roden war, wurde der Friedhof neben der Kirche geschlossen und ein neuer an der Friedensstraße im Jahre 1842 angelegt. Unter Pfarrer Valentin Schropp, von 1855-1867 Pfarrer in Nieder-Roden, wurde im Jahr 1866 der Kirchturm renoviert. Der ehemals flache Turm erhielt sein heutiges Aussehen mit der Spitze und den vier Ecktürmchen.

Unter Pfarrer Friedrich Anton Karl Kösterius, von 1869-1888 Pfarrer in Nieder-Roden, war die Zahl der Gemeindemitglieder auf 1230 Seelen angewachsen. Die Kirche befand sich in einem baufälligen Zustand und war für die wachsende Gemeinde auch zu klein. Ein Neubau wurde dringend notwendig.

Sein Nachfolger, Pfarrer Heinrich Nolda, von 1888-1908 Pfarrer in Nieder-Roden, führte das geplante Werk fort. Am 27. September 1896 konnte das in neugotischem Stil erbaute dreischiffige Gotteshaus durch den Mainzer Bischof Paul Leopold geweiht werden.

 

Heute Pfarrgemeindezentrum
Heute Pfarrgemeindezentrum

Zwei Jahre später, im Jahre 1898, wurde das Schwesternhaus in der Schulstraße eingeweiht. Die Schwestern betreuten die noch nicht schulpflichtigen Kinder in der sogenannten »Schwesternschule«, pflegten und versorgten Kranke, hielten Nachtwache bei den Schwerkranken und erteilten den Mädchen und Frauen Unterricht in Koch- und Nähkursen.

Unter Pfarrer Heinrich Schmitt ' von 1908-1925 Pfarrer in Nieder-Roden, wurde 1911 das heutige Pfarrhaus errichtet und 1912 das Schwesternhaus um einen großen Saal und eine große Küche erweitert.

 

Unter Pfarrer Philipp Kern, von 1950-1956 Pfarrer in Nieder-Roden, wurden drei neue Glocken angeschafft, die Sylvester 1950 zum ersten Mal das neue Jahr einläuteten. Die alten Glocken mussten während des Krieges 1939-1945 zum Einschmelzen abgeliefert werden. Nur die alte Marienglocke aus dem Jahre 1519 blieb der Kirche erhalten. Von den nunmehr 4 Glocken im Kirchturm ist die älteste Glocke mit einem Gewicht von 14 Zentner der »Gottesmutter Maria« geweiht und trägt die Inschrift:

»Meister Steffan zu Frankfurt gos mich,

Maria Glock heis ich,

in Gottes Ehr laut ich.«

Die schwerste Glocke mit einem Gewicht von 24 Zentner ist dem Kirchenpatron »St. Matthias« geweiht und trägt die Inschrift:

»St. Matthias heiß ich,

Gottes Ehr preis ich,

um den Frieden bitt ich.«

 

Von den beiden kleinen Glocken ist die 12 Zentner schwere Glocke dem Schutzpatron der Werktätigen, dem »Hl. Joseph« und die 7 Zentner schwere Glocke den »Hl. Engeln« geweiht.

 

Don Bosco Heim
Don Bosco Heim

Dem Einsatz Pfarrer Kerns ist es auch zu verdanken, daß das Gelände des Kyfffhäuser-Bundes an dem Babenhäuser Weg der Kirchengemeinde als Schenkung erhalten blieb und das bestehende Gebäude als Jugendheim »Don Bosco« der Katholischen Jugend ausgebaut wurde.

Durch die Ansiedelung der heimatvertriebenen Deutschen aus den Ostgebieten in den Gemeinden des Rodgaus wuchs in Nieder-Roden der Anteil evangelischer Christen, und in der fast ausschließlich evangelischen Nachbargemeinde Dudenhofen der Anteil katholischer Christen

Kath. Kirche in Dudenhofen
Kath. Kirche in Dudenhofen

Ende 1945 lebten in Dudenhofen etwa 400 Katholiken. Diese wurden seelsorgerisch von Nieder-Roden aus betreut und besuchten auch hier den Gottesdienst. Schon damals zeigten beide Pfarrer ökumenischen Geist und am Weihnachtstag 1950 wurde der erste katholische Gottesdienst in der evangelischen Kirche in Dudenhofen gefeiert. Die sich rasch vergrößernde katholische Kirchengemeinde in Dudenhofen machte den Bau einer eigenen Kirche notwendig. Im Jahre 1952 wurde der Bauplatz gekauft, und am 14. 6. 1953 der Grundstein gelegt. Nach nur einjähriger Bauzeit konnte am 8. August 1954 die neue Kirche geweiht werden. Als Pfarrer Kern 1956 Nieder-Roden verließ, behielt er aber weiter die Betreuung der von ihm gebauten Kirche und die unter seiner Leitung weiter gewachsene katholische Kirchengemeinde.

Kindergarten an der Otzbergstraße
Kindergarten an der Otzbergstraße

Unter Pfarrer Karl Heberer, von 1956-1977 Pfarrer in Nieder-Roden, wurde das Innere der Kirche renoviert und dem neuen liturgischen Ritus entsprechend umgestaltet. Der Kindergarten entsprach nicht mehr den modernsten Gesichtspunkten, so dass im Jahre 1962 ein neuer Kindergarten gebaut wurde.

Dieser musste nun in der Zwischenzeit dem S-Bahnbau weichen und wurde auf dem Gelände an der Otzbergstraße neu errichtet.

Heute werden von der katholischen Kirche 2 Kindergärten, von der evangelischen Kirche 1 Kindergarten und von der politischen Gemeinde 2 Kindergärten betreut.

 

Evanglische Kirche in der Schulstraße
Evanglische Kirche in der Schulstraße

Nach Auflösung des Lagers Rollwald und dem Abbruch der Baracken setzte hier eine rege Bautätigkeit ein, verbunden mit einem Anwachsen auch der katholischen Bevölkerung in diesem neu erstehenden Ortsteil. Im Juni 1971 wurde der auf kircheneigenem Gelände errichtete Kirchenpavillon eingeweiht. Vom kleinen Glockenturm ruft die ehemalige Lagerglocke, auch als ständige Mahnung, die Gläubigen zum Gottesdienst.

Durch die jahrhundertelange Herrschaft der Erzbischöfe von Mainz hatte Nieder-Roden eine fast ausschließlich katholische Bevölkerung. Die wenigen evangelischen Mitbürger, die sich anfangs des 20. Jahrhunderts in Nieder-Roden niederließen, wurden bis 1949 von der evangelischen Pfarrei im benachbarten Dudenhofen aus betreut. Bereits 1939 wohnten in Nieder-Roden 50 evangelische Christen. 1956 war die evangelische Gemeinde auf 150 Mitglieder angewachsen und verstärkte sich weiter auf 696 Gemeindemitglieder im Jahre 1960. In diesen Jahren des Wachsens wurde die evangelische Kirchengemeinde von Pfarrer Hose aus Ober-Roden betreut, der am Himmelfahrtstag 1962 die erste evangelische Kirche in Nieder-Roden einweihen konnte. Weitere sieben Jahre musste die immer größer werdende Gemeinde warten, bis sie 1969 endgültig selbständige Pfarrei wurde. Als erster Pfarrer wirkte hier bis 1973 Pfarrer Helmut Bähringer, dem dann Pfarrer Eckehard Schwanke folgte. Unter seiner Regie baute die evangelische Kirchengemeinde, die heute 4000 Gemeindemitglieder zählt, am Puiseaux-Platz ein Gemeindezentrum, das am 24. September 1977 seiner Bestimmung übergeben werden konnte.